Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Tina Fibiger
Datum:
Dauer: 04:22 Minuten bisher gehört: 192
Handwerker sind häufig glückliche Menschen. Diese Erfahrung machte die Göttinger Kulturanthropologin Dorothee Hemme bei einem Forschungsprojekt und wollte wissen, warum das so ist. Das war das Startsignal für ein weiteres Projekt über Arbeits- und Lebenszufriedenheit in den verschiedensten Handwerksberufen, das sie zusammen mit der Göttinger Volkswirtin Ann-Kathrin Blankenberg entwickelte. Dass Handwerksberufe glücklich machen, bestätigte sich in Internetumfragen und Interviews und in der Abschlussbilanz unter dem Titel „Handwerksstolz“. Bei der Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen stellte Dorothee Hemme die Ergebnisse der Studie vor, zu der auch eine Broschüre erschienen ist. Tina Fibiger war für uns dabei.

Manuskript

Text

„Für mich gibt es nichts Schöneres als einen Tag lang auf Steine einzuprügeln“, erklärte ein 27-jähriger Steinmetz in einem Interview mit Dorothee Hemme und dass ihn das sehr glücklich mache. Immer wieder bekam die Kulturanthropologin dann auch den Satz zu hören, dass man am Abend immer sehe, was man getan habe und wie viel Stolz dabei mitschwingt, etwas mit den eigenen Händen geschaffen zu haben. Wissenschaftlich bestätigt haben sich nicht nur viele ihrer früheren Eindrücke. Auch sie selbst wurde von manchen Befunden überrascht, warum ein Handwerksberuf glücklich macht.

 

O-Ton 1, Dorothee Hemme, 45 Sekunden

In dem Gesamtforschungsprojekt war wichtig, das Handwerk überhaupt mal zum Gegenstand der Glücksforschung zu machen, also das Handwerk mal in den Blick zu nehmen als Arbeitsfeld mit bestimmten Qualitäten und es sozusagen in diese wissenschaftlichen Diskurse einzuspeisen. Es wird viel über Lebens- und Arbeitszufriedenheit in der Industrie geforscht, aber das Handwerk kam da bis dahin noch nicht vor. Wir sind die ersten. Was mich überrascht hat ist, dass das Handwerk wirklich ein Feld Leben langen Lernens ist, dass das Lernen im Handwerk nicht aufhört und dass es so verborgen ist. Viele Qualitäten die das Handwerk hat, die sind einfach in der öffentlichen Wahrnehmung nicht vorhanden. Das ist das, was mich am meisten überrascht hat.“

 

Text

Das Forschungsteam zum Handwerksstolz hatte zunächst Fragebögen an alle Innungen und Kammern verschickt und die Fragebögen von mehr als 1600 Handwerkerinnen und Handwerkern ausgewertet. Daran an schlossen sich 25 längere Interviews, in denen unter anderem nach dem beruflichen Werdegang gefragt wurde, den besonderen Qualitäten des Berufes und auch den besonderen Anforderungen. Dass ihr Handwerk sie glücklich macht, bestätigten die Interviewpartner Dorothee Hemme auch mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten und beruflich immer wieder neuen Herausforderungen zu begegnen. Thematisiert hat die Kulturanthropologin dabei auch die Frage der öffentlichen Wertschätzung, in der Handwerksberufe nicht sonderlich hoch im Kurs stehen.

 

O-Ton 2, Dorothee Hemme, 29 Sekunden

Viele Handwerker haben in den letzten Jahrzehnten wahrgenommen, dass sie nicht besonders wertgeschätzt werden als Wirtschaftsbereich oder unter den strahlenden Industriebetrieben ins Hintertreffen fallen. Sie nehmen aber auch gerade jetzt eine wachsende Wertschätzung wahr, das ist mir auch entgegen getreten. Nicht zuletzt durch den Fachkräftemangel, wo man einfach auf Handwerker, die man dringend braucht, um eine Heizung am Laufen zu haben oder irgendein Bauvorhaben abzuschließen, inzwischen sehr lange warten kann.“

 

Text

Die Überzeugung, dass Handwerk zufrieden und eben auch glücklich macht, teilt natürlich auch Kreishandwerksmeister Christian Frölich und freut sich über die wissenschaftliche Bestätigung und die Impulse, die damit verbunden sind. Er spricht von einem Baustein, um dem Handwerk wieder einen anderen Stellenwert zu geben und das nicht nur im öffentlichen Bewusstsein.

 

O-Ton 3, Christian Frölich, 31 Sekunden

Dass wir als Handwerk darüber eben auch bei jungen Leuten wieder in die Köpfe kommen: Das ist für uns ein Riesenthema, dass wir eben es schaffen, bei den jungen Leuten das Thema Handwerk so zu platzieren, dass Handwerk auch wieder in die nähere Berufsauswahl kommt. Dazu finde ich diese Studie fantastisch. Mit diesem ganz knackigen Namen „Handwerksstolz“ ist eigentlich alles gesagt. Da bin ich wirklich selber stolz drauf, dass wir dieses Projekt auch als Kammer unterstützen konnten.“

 

Text

Gefördert wurde die Studie „Handwerksstolz“ durch das niedersächsische Wissenschaftsministerium, die Göttinger Universität und die Volkswagenstiftung. Für die Zeit nach dem Lockdown kündigt Frölich eine große öffentliche Präsentation der wissenschaftlichen Dokumentation an. Dann soll die Broschüre „Handwerksstolz“ natürlich auch bei Berufsinformationsmessen und an den Schulen kursieren.