Alleinerziehende: verschlechterte Lage durch die Pandemie
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Lucie Mohme |
Datum: | |
Dauer: | 04:26 Minuten bisher gehört: 224 |
Manuskript
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Drohende Alters- sowie Kinderarmut sind ein großes Problem für Alleinerziehende. Deutschlandweit wachsen etwa 2,3 Millionen Kinder in alleinerziehenden Haushalten auf. Alleinerziehende sind oft aus Gründen der Care-Arbeit gezwungen, weniger zu arbeiten. Im bundesweiten Durchschnitt arbeiten Alleinerziehende drei Stunden weniger als normal Erwerbstätige. Teilzeitbeschäftigt sind von den Alleinerziehenden rund zwei Drittel. Insgesamt stellt sich dadurch eine durchschnittliche Senkung des realen Jahreseinkommens um 0,1 Prozent ein. Die Leiterin des Projektbereichs der Volkshochschule Göttingen (VHS) Jutta Deitermann arbeitet an Alleinerziehenden-Projekten und kennt weitere Gründe für die Armut der Alleinerziehenden:
O-Ton 1, Jutta Deitermann, 32 Sekunden
„Aber nichtsdestotrotz: Sie fangen später an zu arbeiten, sie zahlen weniger in die Rentenkasse ein. Insgesamt haben sie weniger Möglichkeiten gut, also durchgängig, zu arbeiten und dort ihre Rentenpunkte zusammenzubekommen. Und dazu kommt noch, dass es nach wie vor den Gender-Pay-Gap gibt. Also Frauen verdienen nach wie vor 20 Prozent weniger als Männer. Auch das führt natürlich dazu, dass weniger Rente angesammelt werden kann. Das ist einfach eine logische Folge von der Gesellschaft, wie sie gerade irgendwie in ihrem Rollenverständnis noch funktioniert, dass Frauen viel häufiger von Altersarmut betroffen sind als Männer. Und erst recht dann die Alleinerziehenden.“
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Die Herausforderung Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf zu vereinen ist groß. Es sind nicht nur, aber mit 90 Prozent überwiegend Mütter, die diese Verantwortung der Alleinerziehenden übernehmen. Die wenigen Männer befinden sich aber auch meist in einer weniger prekären Lage, da sie sich freiwillig, mit anderer Motivation und mit finanzieller Absicherung für das Alleinerziehen entscheiden. Insgesamt beziehen 37,6 Prozent der alleinerziehenden Familien SGB-II-Leistungen, welche die Grundsicherung für Arbeitssuchende abdeckt. Zusätzlich hat sich die Lage durch die Corona-Pandemie noch weiter verschlechtert und gilt als existenzbedrohend. Die Anzahl der Krisentelefonate mit Alleinerziehenden und Bildungs- und Beratungseinrichtungen hat zugenommen und höhere Altersarmut droht. Deitermann analysiert die verschärfte Problemlage:
O-Ton 2, Jutta Deitermann, 29 Sekunden
„Also eine Sache zum Beispiel irgendwie jetzt: Die Kontaktbeschränkungen für die Frauen bedeutet, dass sie noch mehr vereinsamen und vereinzeln als bislang. Also den Frauen, von denen wir jetzt so hören, den fällt total die Decke auf den Kopf. Heißt sie können weniger Kontakte haben. Was wirklich ein Problem ist, ist, dass die Kinderbetreuung nicht geregelt ist. Dass viele Frauen Projekte abbrechen müssen. Also sie nicht als Alleinerziehende gleich einen Anspruch auf einen Kitaplatz haben jetzt in der Notbetreuung, ist ein riesengroßes Problem.“
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Nicht nur jetzt zur Krisensituation, sondern auch unter normalen Umständen sind Beratungen und Hilfsangebote wichtig. Die Volkshochschule Göttingen beschäftigt sich mit Projekten zu Frauen. Schon seit 2003 gibt es Projekte zur Teilzeitausbildung für junge Mütter. Auch für WiedereinsteigerInnen und Alleinerziehende mit Armutsgefährdung dient das Projekt mit dem Namen „TafF“. Diese Projekte sind darauf ausgerichtet, dass Mütter in ungefähr sechs Stunden am Tag Ausbildungen absolvieren können. Dazu wird eng mit Betrieben zusammengearbeitet, um dies zu ermöglichen. Der Fokus des Projekts liegt außerdem dabei, Perspektiven zu entwickeln und Alleinerziehenden aus der Armutsfalle zu helfen. Oft steht hier nach der abgeschlossenen Ausbildung die Qualifikation in Frage. Deitermann weiß, wie ein Ausbildung in Teilzeit aussieht:
O-Ton 3, Jutta Deitermann, 24 Sekunden
„Und die Ausbildung in Betrieben die ist dann einfach etwas kürzer, aber vielleicht intensiver, etwas zeitlich gestaucht, aber nicht so, dass da irgendwelche Inhalte am Ende fehlen. Also die Erfahrung haben wir überhaupt nicht gemacht. Eher im Gegenteil, dass die Alleinerziehende aufgrund ihrer Motivation und aufgrund dessen, dass sie jetzt weiß, sie macht jetzt nochmal eine Ausbildung, sie hat jetzt die Chance das zu machen. Also wirklich sehr gute Abschlüsse oft machen.“
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Aber auch aufgrund des Lockdowns sind die Alleinerziehenden momentan häufig dazu gezwungen Projekte aufzugeben. Gründe dafür sind Zeitmangel aufgrund von intensiverer Kinderbetreuung oder die technische Umsetzung. Denn die Projekte der Volkshochschule können gerade auch nur digital und über Videokonferenzen stattfinden. Zuhause fehlen den Alleinerziehenden dafür häufig die technischen Endgeräte. Finanzielle Hilfen sind mehr denn je gefragt, aber auch der Zugang und die Sichtbarkeit für Bildungs- und Beratungsangebote sind essenziell. Ein guter Anhaltspunkt ist die Linkliste auf der Seite des Gleichstellungsbüros Göttingen, die viele Hilfsangebote aufführt.
Links / Verweise
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