Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Leona Passgang
Datum:
Dauer: 03:57 Minuten bisher gehört: 261
Die Stadt Göttingen zieht einen Schlussstrich. Nach drei Jahren Betriebszeit wurde am Wochenende die umstrittene Flüchtlingsunterkunft auf der Siekhöhe geschlossen. Betreiber war der DRK-Kreisverband Göttingen Northeim. 15 Mitarbeiter und viele Ehrenamtliche kümmerten sich dort in den vergangenen Jahren durchschnittlich um ungefähr 200 Personen auf 30 Zimmern. Sie erkannten schwere Krankheiten, halfen unter anderem bei Behördengängen und Übersetzungen. Leona Passgang hat mit Stadt und Betreiber über das Ende der Unterkunft gesprochen.
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Manuskript

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Die Flüchtlingsunterkunft Siekhöhe im Göttinger Stadtteil Grone war vielen von Beginn an ein Dorn im Auge. Eine Halle als Unterkunft. Keine Fenster und aus Brandschutzgründen auch keine Zimmerdecken - vor allem aus Sicht von Flüchtlingsorganisationen menschenunwürdig. Die Göttinger Sozialdezernentin Petra Broistedt sagt, sie verstehe, dass einzelne Bewohner sich auf Grund der mangelnden Privatsphäre gestört gefühlt haben könnten. Trotzdem habe es gute Gründe für die Siekhöhe als Erstunterkunft gegeben.

 

O-Ton 1, Petra Broistedt, 30 Sekunden

Die haben wir aufgemacht, weil wir geglaubt haben, dass die Unterbringung und die Betreuung dort vorbildlich ist. Und man kann auch sagen, im Vergleich zu anderen Einrichtungen hier in Göttingen ist es dort einfach sehr, sehr gut gelaufen. Wir haben ein höchst engagiertes Team des Deutschen Roten Kreuzes gehabt, die die Menschen haben ankommen lassen, zur Ruhe kommen lassen. Wir haben eine sehr, sehr schnelle Vermittlung in Sprachkurse gehabt. Insbesondere in der Anfangszeit war es furchtbar wichtig, dass es auch eine medizinische Erstversorgung gegeben hat.“

 

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Statt sich mit Äußerlichkeiten aufzuhalten, legten sowohl Stadt als das DRK den Fokus auf die Gemeinschaft und das Zusammenleben. Unterkunftsleiter Pascal Comte hat in den letzten Jahren viel auf der Siekhöhe erlebt. Es habe sich eine Gemeinschaft entwickelt, in der das gegenseitige Helfen selbstverständlich gewesen sei und enge Freundschaften entstanden seien. Auch das Interesse an anderen Kulturen sei geweckt worden. Viele hätten darum gebeten, mit Menschen aus ihnen fremden Kulturen in ein Zimmer zu kommen - auch um so schneller Deutsch lernen zu können. Die Arbeit des DRK sei eine bunte Mischung aus allem gewesen, erzählt Comte.
 

O-Ton 2, Pascal Comte, 25 Sekunden

Wir haben einen Sanidienst gehabt, um jede Kleinigkeit und jedes Problem von den Leuten gekümmert haben. Das ging von Arztterminen bis kleine Pflaster hier oder Bubu da, und, und, und. Also die Leute können von 8 Uhr bis 20 Uhr zu uns kommen und wir haben einen Sozialdienst, wo wir die ganzen Papiere, die ganzen Einträge: Schule, Kindergarten oder was Geld angeht und auch Übersetzungen, wenn Briefe von Behörden oder von dem BAMF zu uns gekommen sind.“

 

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Aber nicht nur Verletzungen auch schwere Krankheiten wie Tuberkulose, Ringelröteln oder Magersucht konnten von Sanitätern und ehrenamtlichen Ärzten und Psychologen diagnostiziert und behandelt werden. Zahnmedizinstudenten halfen ehrenamtlich und erklärten beispielsweise eine richtige und gute Zahnreinigung. Wichtige Arbeit, die die Siekhöhe zu einer Besonderheit in Göttingen machte, so DRK-Kreisgeschäftsführerin Petra Reußner. Keine andere Flüchtlingsunterkunft in Göttingen sei medizinisch so gut aufgestellt gewesen. Die Bewohner sind inzwischen alle ausgezogen, die letzten Möbel wurden ausgeräumt. Das Ende der Siekhöhe war für das DRK von Beginn an absehbar, sagt Reußner.

 

O-Ton 3, Petra Reußner, 27 Sekunden

Wir wussten ja von vorn herein, dass unser Vertrag bis zum 30.6. läuft, der wurde ja insgesamt zweimal verlängert, von daher hatten auch alle Mitarbeiter auch erstmal einen Vertrag bis zum 30.6. und wir haben ihnen dann geraten sich arbeitssuchend zu melden. Das haben sie auch alle erstmal getan. Inzwischen haben einige wieder einen Anschlussvertrag in einem anderen Unternehmen und ich weiß, dass einige auch noch arbeitssuchend sind. Aber das ist der Markt.“

 

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Pascal Comte ist seit dem 1. Juli der Koordinator des DRK für die Ehrenamtsarbeit. Die ehemaligen Bewohner der Siekhöhe seien größten Teils in eigene Wohnungen untergekommen, einige lebten nun in anderen Göttinger Unterkünften. Der Abschied sei allen schwergefallen, so Comte. Der ein oder andere habe bis zum Ende gehofft, doch noch irgendwie auf der Siekhöhe bleiben zu können, wegen der engen Gemeinschaft und der Unterstützung.