Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Regina Seibel
Datum:
Dauer: 04:56 Minuten bisher gehört: 226
Gehören Sie zu den Menschen, die kurz vor Ladenschluss nochmal in den Supermarkt gehen? Selten werden Sie dort vor leeren Regalen stehen. Der Kunde ist König und er möchte auch fünf Minuten vor Schluss noch frisches Obst und Gemüse kaufen können. So bequem das auch sein mag, es verschärft ein großes Problem in unserem Land: Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich im Müll. Trotz dieser Verschwendung wurden Ende Januar zwei bayrische Studentinnen,, wegen Diebstahls verwarnt, weil sie Lebensmittel aus dem Müllcontainer eines Supermarkts entwendet hatten. Sie wurden dafür zu Sozialstunden bei der Tafel verurteilt. Die Tafeln sorgen dafür, dass ein Teil der Lebensmittel nicht weggeworfen werden muss. Für wenig Geld oder teils sogar kostenlos können Bedürftige dort Lebensmittel holen, die nicht mehr verkauft werden dürfen. Die dort abgegebenen Produkte sind qualitativ einwandfrei. Durch die Lebensmittelausgabe wird einerseits Menschen in Not geholfen, andererseits wird der Lebensmittelverschwendung entgegengewirkt. Dafür werden immer wieder freiwillige Helfer benötigt. Regina Seibel hat die Osteroder Tafel besucht und stellt Ihnen die Einrichtung vor.

Manuskript

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Die Osteroder Tafel existiert bereits seit 14 Jahren. An etwa 420 Haushalte werden die gespendeten Lebensmittel verteilt. Das können Brot vom Vortag, Produkte kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum oder mit beschädigter Verpackung sein. Landrat Bernhard Reuter und Kreisrat Marcel Riethig haben am 19. Februar die Tafel besucht, um sich mit dem Vorsitzenden Hartmut Herrmann und seinem Team über Probleme und Lösungen auszutauschen. Hilfe gab es am Anfang des Jahres schon: Statt Weihnachtskarten zu verschicken, spendete der Landkreis die so gesparten 500 Euro an die Tafel. Auf Spenden sei diese immer angewiesen, schließlich müssten auch die laufenden Kosten getragen werden. Reuter und Riethig versprachen dem Team auch weiterhin ihre Unterstützung. Es sei wichtig, dass die Tafeln existierten. Die Produkte würden außerdem sonst weggeworfen werden. Schatzmeisterin Christiane Oestern über das Ergebnis des Gesprächs:

 

O-Ton 1, Christiane Oestern, 27 Sekunden

"Es hat sich rausgestellt, dass wir Unterstützung durch den Landkreis Göttingen und auch durch den Landrat haben. Und wir hoffen, dass auch Herr Riethig uns weiter unterstützt, wo Hilfe möglich ist von seiner Seite aus. Und ich hoffe für die Tafel, dass es gut weiter geht und die Tafel in ruhigeres Fahrwasser kommt, jetzt wenn wir genug Personal haben. Wir haben schon gute Unterstützung bekommen, auch durch die Zeitungen, das hat wirklich geholfen. Das hat also wirklich eine ganz große Resonanz gebracht."
 

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Der Mitarbeiterengpass in den letzten Monaten ist vor allem dadurch zustande gekommen, dass viele den Eindruck hätten, die Tafel würde kaum noch deutsche Bürger versorgen. Das stimme so jedoch nicht. Ausländische Familien kämen oft gleich in einer Gruppe zur Ausgabe, Deutsche hingegen allein. So entstehe an der Ausgabestelle ein falscher Eindruck. Tatsächlich sind etwa 50 Prozent der Kunden Deutsche. Die Probleme mit der Gewinnung von Mitarbeitern hätten sich glücklicherweise gelöst, da in den Medien viel über den Engpass und die Probleme der Tafel berichtet wurde. Zu Anfang des Jahres gab es neue helfende Hände, gerade in der Küche wird viel Unterstützung benötigt. Luise Schrader arbeitet seit Anfang des Jahres in der Tafel und berichtet, weshalb sie sich für das Ehrenamt entschied:


 

O-Ton 2, Luise Schrader, 28 Sekunden

"Ganz einfach, weil ich mit meiner Arbeitslosigkeit nicht zurecht kam. Also ich bin seit anderthalb Jahren im Ruhestand. Ich habe vorher immer Arbeitstage gehabt von 12-14 Stunden und bin auch sehr viel gereist und dann war ich auf einmal zur Untätigkeit verdammt. Und das hat mir nicht gefallen und ich habe dann erstmal eine Zeit gebraucht, um mich zu sortieren. Zwischen Weihnachten und Neujahr war dieser Aufruf in der Zeitung. Und da hatte ich mich gemeldet und war dann auch gleich am 03.01. hier und hab dann schon festgestellt, dass das ein relativ großes Gebilde ist. Also es ist schon wie eine Firma."

 

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Luise Schrader ist eine der vielen Frauen, die sich ehrenamtlich in der Tafel engagieren. Trotzdem gibt es noch einige Herausforderungen vor denen die Tafel steht. Nicht alle nehmen zum Beispiel die Hilfe der Tafel an. Gerade ältere Generationen hätten Schwierigkeiten damit. Sie schämten sich oder hätten schlichtweg nicht die Möglichkeit, die Tafel zu erreichen. Wenn dann noch wichtige Buslinien wegfielen, gäbe es noch weniger Kunden. Der Fahrdienst der Tafel kann hier Abhilfe schaffen. Doch dort gibt es noch immer mit einigen Problemen zu kämpfen. Einen verlässlichen Fahrer zu finden, sei schwer und nicht alle Arbeitssuchenden hätten einen Führerschein. Der leere Arbeitsmarkt und die große Konkurrenz an Arbeitgebern trage zum Problem bei. Vorsitzender Hartmut Herrmann über die derzeitige Lage:
 

O-Ton 3, Hartmut Herrmann, 22 Sekunden

"Zur Zeit ist es vor allen Dingen um Mitarbeiter, die verlässlich im Fahrdienst mitwirken. Wir haben immer den Bedarf gehabt und gerade im Fahrdienst war es immer schwierig, verlässliche Leute genügend zu haben. Wenn ich von den Zahlen der Kunden ausgehe, die haben nachgelassen. Der Bedarf ist vielleicht von daher zurückgegangen, weil die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist und deshalb nicht mehr so viele Kunden kommen."
 

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Bei den Lebensmitteln gibt es dagegen keine Engpässe. Es gibt genug für alle Kunden, von denen 20 Prozent unter 30 Jahre alt sind. Durch den Generationenwechsel sind aber Fertigprodukte eher gefragt als frische Lebensmittel, da diese mit mehr Aufwand bei der Zubereitung verbunden sind. An Projekte wie Kochkurse wurde von der Tafel bereits gedacht. Die Umsetzung wäre aber nicht so einfach. Damit es gar nicht erst zur Bedürftigkeit kommt, wird zum Beispiel durch Familienzentren präventive Hilfe angeboten. Oft sind die jungen Kunden Schulabbrecher oder alleinerziehende Elternteile. Später wird es für die Hilfsdienste häufig schwerer diesen Menschen aus ihrer Notlage zu helfen.