Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Silke Frischmuth
Datum:
Dauer: 03:48 Minuten bisher gehört: 296
Wir alle leben in einem Körper. Ob wir ihn als attraktiv und schön empfinden oder nicht, er beeinflusst unseren Selbstwert. Wir machen uns zum Beispiel Gedanken darüber, wie wir uns anziehen, um möglichst vorteilhaft auszusehen. Schönheitsideale ändern sich im Laufe der Zeit. Geblieben ist, dass vor allem Frauen sich oft über ihr Aussehen definieren – und sich definieren lassen. Die Body Positivity-Bewegung versucht, der Übermacht retuschierter Bilder von Ausnahmekörpern in Werbung und Medien entgegenzuwirken. In Göttingen hat ein Foto-Projekt begonnen, das die Vielfalt menschlicher Körper zeigen will. Silke Frischmuth berichtet.

Manuskript

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Am Anfang stand Ärger. Ärger darüber, dass ihr Körper ständig von anderen bewertet wurde. Sogar der Partner hat herum gemeckert. Anna Thomas hatte die Nase voll. Sie startete eine Fotoaktion unter dem Motto „Embody yourself“, also „Verkörpere dich selbst“. Dahinter steckt auch, dass viele Menschen heutzutage mehr die aktuellen Schönheitsideale als sich selbst verkörpern. Fettpölsterchen werden in Shaping-Unterwäsche versteckt oder es wird Sport betrieben – aber nichtt um der Gesundheit willen, sondern vor allem, um fit auszusehen. Anna Thomas will das nicht mehr hinnehmen:

 

O-Ton 1, Anna Thomas, 13 Sekunden

„… und ich dann für mich gesagt habe: Okay, das reicht, ich möchte gerne etwas daran ändern, für mich auch daran ändern, dass ich mich selbst auch anders sehen möchte, nicht oberflächlich betrachten möchte, und mich selbst so akzeptieren möchte, wie ich bin.“

 

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Thomas hat daraufhin Flyer drucken lassen und Freunde angesprochen. 16 Interessierte haben schließlich an ihrem Fotoprojekt teilgenommen, darunter auch Thomas selbst. Sie konnte befreundete Fotokünstler gewinnen, die professionelle Bilder erstellten. Dabei konnte jeder Teilnehmer selbst entscheiden, wie er sich präsentieren wollte. Mit oder ohne Kleidung, in festlicher oder normaler Straßenkleidung, mit oder ohne Schuhe, mit Requisiten…. Wichtig war nur, dass die Teilnehmer sich selbst ausdrücken. Thomas erklärt dazu:

 

O-Ton 2 Anna Thomas, 15 Sekunden

Interessanterweise haben auch viele Leute Dinge genommen, die sie sehr gerne machen, die sie charakterlich ausmachen. Das fand ich sehr schön, dass halt viele das, was sie über ihr Aussehen hinaus ausmacht, mit präsentiert haben, mit verkörpert haben auf den Fotos.“

 

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Die Teilnehmer konnten zeigen, was sie an sich schön finden, aber auch, was ihnen zwar nicht gefällt, sie jedoch akzeptieren. Das ist der Sinn von Body Positivity: Den eigenen Körper so anzunehmen, wie er nun mal ist. Body Positivity ist eine Bewegung, die sich gegen die allzu glatt gebügelten, normierten Bilder von Körpern in der Modebranche und in der Werbung wendet. Malin kritisiert die Ideale, die durch diese künstlichen Bilder geschaffen werden:

 

O-Ton 3, Malin, 19 Sekunden

Dass es irgendeine Art von Abwertung gibt, wenn man diesen Schönheitsidealen nicht entspricht, und das fand ich besonders auffallend in der Zeit meiner Jugend, in der Schulzeit. Da war es häufig so, dass gerade die Mädchen viel an sich herumgekrittelt haben und sich über Kleinigkeiten beschwert haben am Körper, dass jemand mit der Kniescheibe unzufrieden war, was absolut bescheuert ist.“

 

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Viele Menschen, vor allem Frauen, kämpfen mit ihrem angeblich unvollkommenen Körper. Aber auch Männer kommen nicht immer mit ihrem eigenen Erscheinungsbild zurecht. Felix reflektiert darüber:

 

O-Ton 4, Felix, 14 Sekunden

Das auch einfach mal sich bewusst zu machen, dass wahrscheinlich alle Leute, wenn sie vor dem Spiegel stehen, sich denken: „Das ist doch nicht schön“. Ich habe zum Beispiel total bescheuerte Probleme mit meinem eigenen Körper. Ich finde, meine Beine sind zu lang, mein Oberkörper ist zu kurz.“

 

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Doch weder Cremes noch exzessiver Sport oder teure Kleidung können jede Frau und jeden Mann so aussehen lassen wie die Models in den Zeitschriften. Das Foto-Projekt zeigt menschliche Körper in ihrer Vielfalt und will dazu anregen, diese Vielfalt als normal zu akzeptieren und mit sich im Reinen zu sein. Das ist leichter gesagt als getan: Die Teilnehmer haben nicht nur Fotos von sich machen lassen. Ihre Fotos werden für mindestens drei Monate öffentlich ausgestellt. Das gesamte Projekt wurde zusätzlich von zwei Kameraleuten begleitet. Die Teilnehmer beschreiben ihre Erfahrungen mit den Fotoshootings jedoch als sehr positiv, so auch Viola:

 

O-Ton 5, Viola, 12 Sekunden

Das Ganze hat total viel Spaß gemacht. Als ich ankam, war ich natürlich nervös und aufgeregt. Aber es war eine super Atmosphäre, total nett, auch mit der ganzen Gruppe. Es waren alle super lieb und ich habe mich wohlgefühlt.“

 

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Ein positives Körpergefühl ist Voraussetzung für Selbstannahme und ein gutes Selbstwertgefühl. Den eigenen Körper so zu akzeptieren und lieben, wie er nun mal ist, dazu möchte dieses Foto-Projekt beitragen. Thomas fiebert der Ausstellungseröffnung entgegen:

 

O-Ton 6, Anna Thomas, 14 Sekunden

Ich freue mich sehr auf das Ergebnis, und ich hoffe, dass es ganz viele Menschen erreicht. Und dass ganz viele Menschen auch für sich dann Hoffnung daraus schöpfen, und für sich erkennen, dass sie so, wie sie sind, gut sind.“