Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Morten Reimers
Datum:
Dauer: 06:53 Minuten bisher gehört: 267
In Göttingen haben bis gestern Abend eine Gruppe junger Menschen campiert, um für die Rechte von Palästinensern aufmerksam zu machen. Gegen das Camp hat es in den vergangen Tagen von unterschiedlichen Seiten Kritik gegeben; unter anderem Marie Kollenrott und Carina Hermann distanzierten sich von den Anliegen der Camp-Teilnehmer. Morten Reimers stellt die unterschiedlichen Ansichten dar.

Manuskript

Text

Seit dem 7. Oktober letzten Jahres ist der Nahost Konflikt erneut in eine heiße Phase eingetreten. Nach dem Angriff der Hamas auf israelisch kontrollierte Gebiete und der Geiselnahme israelischer Zivilisten und Militärs, antwortete das israelische Militär mit nicht minder brutalen Mitteln. Bisher wurden durch Angriffe des israelischen Militärs knapp 40.000 palästinensische Zivilisten getötet und ungefähr doppelt so viele verletzt. Auf israelischer Seite sind mit knapp 10.000 Verletzten und Toten vergleichsweise wenig Opfer zu beklagen. Nach Angaben des Comittee to Protect Jounalists starben seit dem 7. Oktober mindestens 108 Medienschaffende, ein Großteil davon durch israelische Angriffe. Weitere gelten als verletzt, vermisst oder verhaftet. Das macht den Israel-Palästina Konflikt zum tödlichsten Konflikt für Medienschaffende seit Beginn der Aufzeichnungen des CPJ im Jahre 1992.

 

Auch hier in Deutschland sind die Auswirkungen durch das Aufflammen des Konfliktes zwischen Israel und Palästina deutlich zu spüren. Auf der einen Seite die Menschen, die Deutschland in der historischen Pflicht sehen, sich solidarisch mit Israel zu zeigen. Auf der anderen Seite Menschen die nicht weiter mit ansehen wollen, wie palästinensische Zivilisten verletzt und getötet werden.

 

Marie Kollenrott sitzt für Bündnis90/die Grünen im niedersächsischen Landtag und äußerte sich schriftlich in einer Pressemitteilung, gleich gelesen von meinem Kollegen Nico Mader, zu der Situation:

Das Leid auf Seiten, der israelischen, wie der palästinensischen Zivilbevölkerung ist unerträglich. Es ist legitim und wichtig, auch deutliche Kritik an der israelischen Militärstrategie zu üben und das Leid der Bevölkerung in Gaza zu benennen. Für das Protestcamp an der Uni Göttingen und seine Forderungen habe ich allerdings keinerlei Verständnis. Wer den Boykott der Kooperation mit jeglichen israelischen Institutionen, inklusive Universitäten, […] fordert, ist offensichtlich nicht an wissenschaftlichem Diskurs, Verständigung und Frieden interessiert. […] Auch die anderen Äußerungen des Camps zeigen, dass es den Verantwortlichen nicht um das Eintreten für legitime Interessen der palästinensischen Zivilbevölkerung geht, sondern die einseitige Delegitimierung des Staates Israel. […] Es ist auch einigermaßen befremdlich, dass das Camp sich über eine angebliche Zensur und Unterdrückung "jeglicher Solidarität mit dem palästinensischen Volk" in Deutschland beschwert, während sie auf einer großen öffentlichen Fläche der Universität campieren und ihre israelfeindlichen Parolen verbreiten dürfen.“

 

Auf der Pressekonferenz am 02.07 äußerte sich der Sprecher des Pro-Palästinensischen Camps Danis sowohl zu den Unterdrückungsversuchen der Palästinenser Bewegung als auch zu der Forderung die Kooperation mit israelischen Universitäten abzubrechen:

Israelische Hochschulen spielen nämlich eine wichtige Rolle bei der Planung und Umsetzung, sowie Rechtfertigung der israelischen Besatzung und Apartheidpolitik. Heute arbeiten israelische Universitäten mit israelischen Rüstungsunternehmen eng zusammen um Technologien zu erforschen und entwickeln, um Palästinenser*Innen zu unterdrücken, zu überwachen und zu ermorden. Die Hebrew University of Jerusalem mit der unsere Universität enge Verbindungen hat und Austauschprogramme zum Beispiel, bildet Elitesoldaten, Offiziere und andere Kaderpersonen in ihren Studi-programmen aus.

Auch hier in Göttingen versucht die Universität schon seit Monaten und mit allen Mitteln die Palästina Solidarität auf dem Campus zu unterdrücken und zu verbieten. Letzte Woche wird der Präsident unserer Universität, Metin Tholan, im GT zitiert, er habe der Stadt Gründe mitgeteilt, warum der angemeldete Ort für unser Camp hier nicht in Frage komme. Es war zum Einen, das Blumenbeet, was Sie links von uns hier sehen, das wir natürlich abgesperrt haben, weil es auch in unserem Interesse ist, die Universität als einen schönen Ort zu gestalten und zum Anderen war es die Behauptung, wir würden mit unserem Lärm den Betrieb an der uni einschränken. Auch dies ist ein weiterer Versuch den Protest der Studierenden zu unterdrücken und spiegelt sich auch in unseren Auflagen wieder, die wir für diese Versammlung bekommen haben. Auflagen, die teilweise so widersprüchlich formuliert oder einfach nicht rechtens sind, dass das Verwaltunggericht Göttingen am 28.06. beschlossen hat, diese de facto aufzuheben und auch nachdem die Polizei in die zweite Instanz gegangen ist hat das niedersächsiche Oberverwaltungsgericht am 01.07. dem Beschluss recht gegeben.“

 

Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landesfraktion Niedersachsen, Carina Hermann, äußerte sich schriftlich in einer Pressemitteilung:

Spätestens seit dem 07. Oktober 2023 scheint Antisemitismus in gewissen Personenkreisen nicht nur hinter verschlossener Tür salonfähig zu sein. Gerade ‚Pro-Palästina‘-Demonstrationen haben sich zu Plattformen für einen offenen Antisemitismus und Antiisraelismus entwickelt. Es ist nur schwer erträglich zu sehen, dass Menschen, die in Freiheit, in Sicherheit, in einer Demokratie leben, die Narrative einer Terrororganisation ungefiltert aufgreifen und replizieren. Es wirkt fast schon ironisch, dass dieses Camp auf dem Universitätscampus stattfindet, ist gerade dieser doch der Ort für eine kritische Auseinandersetzung. Diese ist jedenfalls bei den Organisatoren und Mitdemonstranten nicht zu sehen, sie haben sich von der Propagandamaschine der Hamas einwickeln lassen.“

 

Auch auf den oft vorgebrachten Vorwurf des Antisemitismus Danis am 02.07. im Zuge der Pressekonferenz und fand folgende Worte:

Wir sagen ganz klar, dass Israel Kritik oder die Kritik am Zionismus kein Antisemitismus ist. Wenn man das gleichsetzen würde, würde man das Judentum und jüdische Menschen mit Israel gleichsetzen und das sehen wir als extrem gefährlich an. Das würde nämlich bedeuten, dass alle jüdischen Menschen verantwortlich wären für alle Verbrechen die Israel begangen hat und alle jüdischen Menschen dafür verantwortlich zu machen, ist in sich schon antisemitisch und deswegen ist für uns ganz klar: Die Kritik an Israel ist kein Antisemitismus, das muss man trennen. Was verstehen wir unter Zionismus? Der Zionismus ist eine rassistische Ideologie. Der Zionismus hat von Anfang an es darauf angelegt einen Ethnonationalistischen Staat zu gründen, der darauf basiert Palästinenser zu vertreiben. Das ist auch genau das was die Geschichte gezeigt hat und das was passiert ist. Dafür ist der Zionismus verantwortlich, dafür sind nicht jüdische Menschen verantwortlich. Das ist genau das, was ich eben auch schon gesagt habe.“

 

Gerade auf Grund der Verbrechen des Nationalsozialismus steht Deutschland in einer besonderen Pflicht, wenn es um die Solidarität mit Israel geht. Doch ist hier auch darauf hinzuweisen, dass der internationale Gerichtshof einer Klage wegen Völkermordes gegen Israel stattgegeben hat und auch Deutschland der Beihilfe am Völkermord angeklagt wurde. Zwar wurde die Eilklage gegen Deutschland vom IGH abgelehnt, jedoch stellt sich trotzdem eine moralische Frage, ob die historische Schuld Deutschlands so groß ist, dass es die Pflicht der BRD ist, den einstigen Opfern nun dabei zu helfen, selbst zu Tätern zu werden.