Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Veda Giesecke
Datum:
Dauer: 05:19 Minuten bisher gehört: 247
Früher war es ein heiß begehrter Spot für Medizin- oder Jurastudenten, also so ziemlich die beste Anlaufstelle für Studi-Wohnungen. Heute ist es ein heruntergekommenes Mehrfamilienhaus mit unmenschlichen Lebensbedingungen. Schon lange steht das Gebäude im Mittelpunkt der städtischen Aufmerksamkeit. Ob es eine Lösung gibt, weiß Veda Giesecke.

Manuskript

Müll, Ungeziefer, Verwahrlosung. Die Adresse „Hagenweg 20“ ist in Göttingen ein rotes Tuch. Die Zustände des Wohnhauses sind niederschmetternd, aber nur schwer zu verbessern. Schließlich können nur die Vermieter selbst Veränderungen bezwecken. Ursprünglich gab es an der Immobilie einundzwanzig Wohnungseigentümer. Diese waren verteilt auf 165 Wohnungen. Die Stadt Göttingen besaß bis zuletzt nur 22 dieser Appartments. Doch nun ist der lang ersehnte Durchbruch gelungen – Oberbürgermeisterin Petra Broistedt sagt dazu:

 

In vielen vielen kleinen Verhandlungen haben Mitarbeitende der Stadt Göttingen elf weitere Wohnungen ankaufen können und ich bin total stolz, Ihnen sagen zu können, dass wir seit letzter Woche auch die Anteile der Mehrheitseigentümerin gekauft haben. Wir haben damit 152 Wohnungen und 50 Garagenstellplätze, also 93% des Eigentumes erhalten. Das ist in meinen Augen eine echte Meisterleistung. Ich bin total stolz, ich danke dem Team, dass da in so hartnäckigen Verhandlungen das hinbekommen hat.

 

Damit gibt es nun die Möglichkeit, als Eigentümer sehr viel mehr zu bewirken. Wenn das Gebäude in den vollständigen Besitz der Stadt gelangt, ist sogar eine Voll-Sanierung oder ein kompletter Abriss möglich. Deswegen ist es eine so große Errungenschaft. In der Vergangenheit wurde viel getan, doch es gab immer eine Grenze, die die Stadt nicht überschreiten durfte. Um die Probleme des großen Teils der Wohnungen zu bekämpfen, die Göttingen nicht gehörten, konnten in der Vergangenheit immer nur gesetzliche Vorgaben ausgenutzt werden. Mit dem Baurecht, dem Brandschutz, dem Wohnraumschutz-Gesetz, der Zweckentfremdungssatzung oder auch dem Infektionsschutz schritt die Stadt so bei einigen Problemen ein. Beispielsweise wies sie auf die Müllentfernung hin oder sanierte das Gebäude an möglichen Stellen. Auch der Überbelegung der sich dort befindenden Einzimmerwohnungen, die schon im Besitz der Stadt waren, wurde entgegengewirkt. Sozialdezernentin Anja Krause war mit ihrem Team in dieser Zeit oft direkt vor Ort:

 

Niemand sollte in solch prekären Wohnverhältnissen leben. Wir haben im November letzten Jahres ein soziales Konzept verabschiedet. Da sind verschiedene Aspekte benannt worden, wie man vorgehen will. Und wenn man jetzt mal rückschauend halt „Was ist innerhalb eines Jahres, das ist ja ein kurzer Zeitraum eigentlich, was haben wir da schon beschicken können? Was haben wir erreichen können?“ muss man sagen, wir waren da sehr erfolgreich in der Vermittlung der Bewohnerinnen und Bewohner in Alternativwohnraum. Familien haben dadurch auch eine echte Perspektive erhalten, muss man mal sagen. Ich möchte mal ein paar Zahlen nennen: Im Juli 23 hatten wir im Gebäude 145 Menschen, davon 36 Kinder, die dort lebten. Im August 24, jetzt ein Jahr später wohnen dort 74 Menschen, davon neun Kinder. Das heißt wir haben 76 Menschen sind vermittelt worden, sind ausgezogen, haben wir vermittelt in Alternativwohnraum, davon 27 Kinder. Und da ist auch deutlich zu sagen: „Der Kauf hat sich gelohnt für jedes Kind, was dort nicht mehr wohnt.“ Kein Mensch soll in solchen Verhältnissen leben und deswegen war es uns ganz wichtig dort eben guten Alternativwohnraum anzubieten. Wir haben dadurch natürlich auch die Überbelegung verhindern können und wir haben auch im Haus selbst zahlreiche Verbesserungen herbeiführen können.

 

Zu diesen Verbesserungen im Hagenweg, so Krause, zählt die Einrichtung eines Wasch- und Trockenraums. Vorher sei es kaum möglich gewesen, auch nur eine Waschmaschine in den Zimmern anzuschließen. Durch aktive Aufklärung verdoppelte sich die eigene Reinigungsleistung der Mieter. Zusätzlich richtete die Stadt einen Besprechungsraum ein, in dem es Nachhilfeangebote für die verbliebenen Kinder gibt. Soziale Beratungen jeder Art werden dort auf neutraler Fläche durchgeführt. Eine freiwillige Mieterqualifikationsschulung soll eine Weitervermittlung an andere Wohnungen in der Nähe garantieren. Diese Weitervermittlung ist nun besonders wichtig, denn erst dann kann eine vollständige Sanierung beziehungsweise ein späterer Abriss des Wohnkomplexes erfolgen. Auch deshalb ist es ein großer Erfolg, dass die Stadt nun den Mehrheitsanteil der Wohnungen besitzt. Nur dann können nämlich die Mieter in andere Wohnungen vermittelt werden, um schließlich einen vollständigen Abriss oder eine Sanierung durchzuführen. Da viele Mieter in ihrer Wohngegend berufstätig sind oder die Kinder dort zur Schule gehen, suchen sie aber ausschließlich eine Vermittlung in dieselbe Gegend.

 

Wir sind immer auf der Suche nach weiterem Wohnraum. Also wenn jemand, es ist wirklich auch ein Appell, wenn man Wohnungen zur Verfügung stellen kann oder uns anbieten kann, wir nehmen sie gern.

 

Nach dieser ganzen Zeit von Bürokratie, Verhandlungen, Schweiß und Tränen und nun endlich dem Erhalt des Mehrheitsanteils der Wohnungen im Hagenweg 20, wie ist die Situation einzuschätzen?

 

Heute kann ich sagen: „Ja, wir haben einen tollen Erfolg damit gehabt. Wir waren sehr erfolgreich und wir werden auch weiterhin nicht nachlassen für die verbliebene Bewohnerschaft uns ebenso engagiert ins Zeug zu legen.