Die Debatte um ein Bedingungsloses Grundeinkommen
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Emilia Kröger |
Datum: | |
Dauer: | 05:23 Minuten bisher gehört: 540 |
Manuskript
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Bedingungsloses Grundeinkommen, das bedeutet erst einmal nur, dass jeder Staatsbürger einen monatlichen, fixen Betrag vom Staat erhält – ohne Formulare, ohne Überprüfung oder andere Bürokratie, bedingungslos: Jeder erhält genau dasselbe monatliche Grundeinkommen. Die Vorschläge darüber wie genau ein solches Bedingungsloses Grundeinkommen aussehen kann, variieren jedoch. Professor Gerhard Wegner hat lange Zeit das Sozialwissenschaftliche Institut der evangelischen Kirche in Hannover geleitet, die Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens, hält er für problematisch, da die Abschaffung des Sozialstaats die Voraussetzung dafür sei.
O-Ton 1, Gerhard Wegner, 26 Sekunden
„Wenn Sie allen Leuten 1.000 Euro im Monat in Deutschland zahlen wollen, dann brauchen Sie dafür ungefähr eine Billion Euro. So viel kostet auch unser Sozialstaat. Deswegen ist für mich, das eine Alternative. Wir können das bedingungslose Grundeinkommen nur haben, wenn wir den Sozialstaat auflösen und statt dem komplexen Gefüge, was unser Sozialstaat ist, den Hilfeleistungen den unser Sozialstaat allen Menschen jedes Jahr bietet, dann jedem 1.000 Euro geben. Das ist dann die Alternative und das möchte ich nicht.“
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Befürworter halten dieser Kritik entgegen, dass aktuelle Rechnungen und Planungen über Finanzierungsmodelle nur begrenzt sinnvoll seien. Auch Dr. Dirk Jahreis, Fortbildungsbeauftragter der Universität Göttingen betont, dass durch ein bedingungsloses Grundeinkommen solch schwerwiegende Veränderungen in der Volkswirtschaft vorgenommen werden würden, dass alle aktuellen Modelle über Finanzierung schlichtweg keine Gültigkeit in einer Zukunft mit bedingungslosem Grundeinkommen haben. Darüber hinaus treffe das Argument der nicht umsetzbaren Finanzierbarkeit nicht die Idee des Grundeinkommens, so Joachim Winters vom Netzwerk Grundeinkommen. Vielmehr gehe es den Befürwortern des Bedingungslosen Grundeinkommens darum, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen, um Arbeit und Leben neu zu denken.
O-Ton 2, Joachim Winters, 29 Sekunden
„Also das heißt, das was ich auch bei dieser heutigen Veranstaltung, die super gelaufen ist im Prinzip, aber was ich immer wieder bedauere ist, dass viel zu viel über Geld gesprochen wird, weil Grundeinkommen, leider heißt es Einkommen, aber wir könnten auch Grundauskommen sagen, wir könnten auch Grundversorgung sagen, ist eigentlich gar nicht so sehr das Finanzielle, sondern vor allem die Befreiung im Kopf. Dass ich eben, wenn ich studiere nicht unbedingt jetzt abends noch jobben muss oder so. Wir hätten in unserer Gesellschaft ganz ganz viele Verbesserungen.“
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Neben dem Streit um die Realisierbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens, geht es also in der Debatte auch um ganz grundsätzliche Fragen zum Menschen und seiner Arbeitsbereitschaft. Warum arbeiten Menschen und was würde sich verändern, wenn sie nicht mehr nach Erwerb entlohnt werden, sondern eine Grundversorgung erhalten, die unabhängig von ihrem Verdienst ist? Auch in dieser Frage sind sich Befürworter und Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommens nicht einig. Wegner sieht in einem Grundeinkommen auch die Gefahr, dass Menschen nicht zu einem aktiven Leben und Engagement angeregt werden. Wie würden Menschen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen ihren Alltag gestalten?
O-Ton 3, Gerhard Wegner, 30 Sekunden
„Das ist ganz schwer zu sagen. Die einen würden die mehr Freizeit genießen, die anderen, die aus sich selbst heraus Interesse haben, die würden sich engagieren, die würden sich irgendwo einbringen, würden sich ehrenamtlich engagieren, würden vielleicht irgendwo trotzdem arbeiten und irgendwas machen. Das ist ganz unterschiedlich verteilt. Wenn Sie sich angucken, wie das heute läuft, dann ist das so, dass das vor allen Dingen vom Faktor Bildung abhängt. Und das würde sich beim bedingungslosen Grundeinkommen dann dahingehend auswirken, dass sozial schwächere Menschen eher zuhause bleiben und sich mit den 1.000 Euro abfinden als die anderen.“
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Wegners größter Kritikpunkt ist, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die aktuellen Probleme der sozialen Ungerechtigkeit nicht lösen könne. Stattdessen würde durch ein Grundeinkommen viel Geld ausgegeben für alle Menschen, die keinen Bedarf haben, geschweige denn ein Grundeinkommen gefordert haben. Gezielte Unterstützung, wie sie im aktuellen Sozialstaat stattfindet, müsse stattdessen verbessert und ausgebaut werden: Ein höherer Mindestlohn oder ein sozial verträglicheres Erwerbslosengeld lauten nur zwei seiner Forderungen dafür. Statt diesem Prinzip der Umverteilung setzt Befürworter Winters dagegen auf ein Grundeinkommen für alle. Erst dadurch gäbe es in Deutschland keine Verstöße mehr gegen den zweiten Artikel des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit [...].“
O-Ton 4, Joachim Winters, 24 Sekunden
„Also ich betone ja immer wieder, dass Sozialstaat und bedingungsloses Grundeinkommen kein Widerspruch sind, sondern ganz im Gegenteil. Also das bedingungslose Grundeinkommen überhaupt erst den Sozialstaat vollendet. Also gerade die Rahmenbedingungen durchs Grundgesetz oder auch eigentlich die ganzen Ideen, die engagierte Sozialpolitiker haben – ich weiß immer nicht, warum die sich damit so schwertun – die werden durchs Grundeinkommen überhaupt erst realisiert.“
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Winters ist außerdem der festen Überzeugung, dass sich ein bedingungsloses Grundeinkommen positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von allen Menschen auswirken würde. Sogar Kritiker würden dies anerkennen. Doch obwohl es neben dieser auch durchaus weitere Überschneidungen bei den unterschiedlichen Positionen aus Befürwortern und Gegnern gibt: Die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen wird wohl noch einige Zeit andauern.
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