Brexit-Auswirkungen in Göttingen und Südniedersachsen
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Tanita Schebitz |
Datum: | |
Dauer: | 05:22 Minuten bisher gehört: 207 |
Manuskript
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Am 23. Juni 2016 ist es passiert: Bei einem Referendum im Vereinigten Königreich Großbritannien haben knapp 52 Prozent der Abstimmungsberechtigten für „leave“, also den Austritt aus der EU, gestimmt. Seitdem sind mehr als drei Jahre vergangen. Etliche Diskussionen wurden geführt, zwei Premierminister sind an der Causa Brexit gescheitert. Seit Juni 2019 ist nun Boris Johnson von der konservativen Partei im Amt. Aber auch Johnson hat es mit dem Brexit nicht leicht: Wann wird Großbritannien die EU verlassen, und wenn ja, mit oder ohne Abkommen? All das bleibt noch abzuwarten. Aber ob „Deal“ oder „No Deal“: Ein Brexit hat so oder so weitreichende Auswirkungen, auch auf Unternehmen in Südniedersachsen. Welche, das erklärt Tonio Boer von der Abteilung International der IHK Hannover:
O-Ton 1, Tonio Boer, 31 Sekunden
„Also insgesamt gehen wir davon aus, dass es da Auswirkungen geben wird, die sich aber in Grenzen halten. Die niedersächsischen Unternehmen hatten viel Zeit, sich auf einen wie auch immer gearteten Brexit vorzubereiten und viele haben das auch getan. Das heißt, es werden alternative Lieferwege gesucht, und es werden an der vielleicht einen oder anderen Stelle auch Optimierungen in den Lieferketten vorgenommen, sodass die Auswirkungen da sein werden, aber sich hoffentlich in Grenzen halten.“
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Nach dem Referendum 2016 habe es aber sichtbare Veränderungen im Handelsvolumen gegeben, erklärt Boer. Vergleicht man die Zahlen von 2015 mit denen von 2016 nach dem Referendum, lässt sich erkennen, dass die Ausfuhren von Niedersachsen aus nach Großbritannien sich um etwa 800 Millionen Euro verringert haben. Seitdem seien die Zahlen aber konstant geblieben, bei einem Wert von etwas über sechs Milliarden Euro. Insbesondere in drei Bereichen müssten sich niedersächsische Unternehmen auf den Brexit vorbereiten: Warenverkehr, Steuern und Recht. Sollte es einen „No Deal“ geben, dann würde der Status des Vereinigten Königreiches auf den eines Drittstaates fallen: Unternehmen, die bereits mit solchen Staaten Handel treiben, seien darum recht gut vorbereitet. Auch, wenn ein wie auch immer gearteter Brexit einige Umstellungen bedeutet, so erkennt Boer auch neue Möglichkeiten für niedersächsische Unternehmen:
O-Ton 2, Tonio Boer, 39 Sekunden
„Chancen bestehen eigentlich immer dann, wenn Märkte sich verändern oder auch mal wegbrechen; die Chance ist nämlich die Diversifizierung der Handelsströme und auch die Diversifizierung der Handelspartner. Das heißt, Unternehmen, die mit vielen unterschiedlichen Ländern handeln, die sind nicht so anfällig für wirtschaftliche Schocks. Und deshalb birgt natürlich der Brexit auch die Chance, insbesondere für Unternehmen, die sehr, sehr viel nur mit Großbritannien gehandelt haben, hier vielleicht auch mal zu schauen, auf welche anderen Länder kann ich meinen Handel verteilen oder ausweiten, um in Zukunft auch abgesichert zu sein gegen solche Veränderungen?“
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Was Unternehmen sich im Allgemeinen wünschen, sei Planbarkeit, erklärt Boer. Dann wären Veränderungen weitaus weniger schwierig, da sie eben eingeplant werden könnten. Das sei auch genau das Problem an der aktuellen Situation mit dem Brexit: Wie wir wissen, wissen wir nichts, so Boer. Nicht nur Unternehmen sind allerdings von den Auswirkungen des Brexit betroffen. Auch im Ausland lebende und arbeitende Britinnen und Briten stehen vor Veränderungen. Verlässt Großbritannien die EU, würden für sie Rechte wie zum Beispiel die EU-Freizügigkeit wegfallen. Übergangsregelungen sind zwar getroffen, langfristig können sich trotzdem Schwierigkeiten ergeben. Viele britische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger lassen sich deshalb einbürgern – auch im Landkreis Göttingen. Einer von ihnen ist Richard Crowder, Geschäftsführer des Basketballteams flippo Baskets BG 74 Göttingen. Für ihn war auch der Brexit bei der Entscheidung ausschlaggebend:
O-Ton 3, Richard Crowder, 23 Sekunden
„Es waren ausschließlich Brexit-Themen, ich hatte keine Lust, mich irgendwann mit dem Thema Aufenthaltsgenehmigung und so weiter befassen zu müssen, und für mich war es relativ einfach, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Und die Freizügigkeit spielt sicherlich auch eine Rolle, und ich wohne mitten in Europa und von daher fühle ich mich auch als Europäer. Ich würde mir eigentlich wünschen, alles bliebe so, wie bisher, weil ich kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. Aber es ist nun mal so, wie es ist.“
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Ähnlich haben es vielleicht auch die in diesem Jahr bisher im Landkreis Göttingen eingebürgerten britischen Staatsangehörigen gesehen. Wie der Landkreis mitteilt, habe im Vergleich zu den vorherigen Jahren ein deutlicher Anstieg bei den Einbürgerungen von Britinnen und Briten verzeichnet werden können: 2017 waren es neun Personen, 2018 acht Personen und 2019 bisher 21 Personen. Bei der Frage zu ihrer Motivation wurde häufig auch der bevorstehende Brexit genannt.
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