Göttingen-Krimi „Ostviertelblues“ von Wolf S. Dietrich
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Jeanine Rudat |
Datum: | |
Dauer: | 03:15 Minuten bisher gehört: 226 |
Manuskript
Text
Als die Anwohner:innen Baggergeräusche hören, sind sie alarmiert. Nicht zum ersten Mal soll im Göttinger Ostviertel eine Villa abgerissen werden. Dieses Mal steht der Abbruch des alten Hauses der Sängerin Barbara Rodenstein kurz bevor. Doch eigentlich wollte die besonders in den 70er und 80er Jahren erfolgreiche Bluessängerin doch ihren Lebensabend in dem Gebäude verbringen, was sich schon seit vielen Generationen im Familienbesitz befindet. Zudem gehört es zu den erhaltenswerten Häusern, die das Stadtbild prägen. Diesmal kann der Abriss – zumindest vorläufig – gestoppt werden. Kurze Zeit später dringen zwei Jungen in das Haus ein und machen unter den alten Mauern eine grausige Entdeckung. Die zwei Skelette sind Spuren eines Verbrechens, das fast 30 Jahre zurückliegt. Die junge Polizeibeamtin Alexa Engel hatte es damals nicht aufklären können. Als erfahrene Kriminalhauptkommissarin möchte sie mit ihrem Team endlich den Täter stellen. Gleichzeitig begibt sich Anna Lehnhoff, Journalistin beim Göttinger Tageblatt, auf Spurensuche und ermittelt wider alle Vernunft auf eigene Faust. Dabei gerät sie ins Visier des Mannes, der möglicherweise einen Mord begangen hat, und begibt sich in große Gefahr. Denn dem skrupellosen Immobilienmakler und Sohn von Barbara Rodenstein ist jedes Mittel recht Profit zu machen und sich zu schützen.
Vor 20 Jahren hat der in Bad Grund geborene Autor Wolf S. Dietrich seinen ersten Anna Lehnhoff-Fall herausgebracht und kann auch mit seinem neunten Göttingen-Krimi begeistern. Sein Markenzeichen ist die Verknüpfung von alten Fällen und der Ermittlung der Göttinger Tageblatt-Redakteurin sowie ihres Ex-Freundes bei der Polizei und seinen Kolleg:innen in der Gegenwart. So gibt es auch in „Ostviertelblues“ zwei Handlungsstränge, die sich immer weiter annähern: 1992 und heute. Wer Göttingen seine Heimat nennt, oder sogar hier geboren ist, der erkennt vieles wieder, wie die Bäckerei Küster, den ehemaligen Supermarkt Löb oder eben den höchst fragwürdigen Abriss einer alten Villa in der Nähe der Stadthalle. Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht aber auch das Leben von wohnungslosen Menschen. Er beschreibt, wo sie sich aufhalten oder dass sie Hilfe bei der Straßensozialarbeit bekommen. In seiner Geschichte wird ein Charakter namens „Emma Peel“ mit einer Plastiktüte erdrosselt und das in der Theaterstraße. Dies erinnert natürlich sofort an den Tod von James, eine obdachlose Frau, die am Heiligen Abend 2007 genau dort auch erstickt wurde. Es macht betroffen zu lesen, dass viele Gewalttaten eben nicht nur der Fantasie von Autor:innen entspringen, sondern sich leider in der Wirklichkeit so zugetragen haben, wenn auch in Details anders. Dietrichs Schreibweise in diesem Roman ist wieder gewohnt flüssig und der Spannungsbogen hält, obwohl man bereits seit Beginn weiß, wer der Mörder ist. Lediglich seine Darstellung des Hauptcharakters bräuchte mal eine Überarbeitung und Angleichung an die Moderne. Damals, wie heute, ist Anna Lehnhoff immer noch unsicher, was ihren Körper angeht und ständig schaut sie auf ihr Gewicht und thematisiert dies. Bei den männlichen Charakteren ist das nicht der Fall. Da wäre es angebracht sie, gerade mit so viel dazu gewonnener Erfahrung im Leben, etwas gelassener mit sich und dem Älterwerden umgehen zu lassen. Am Ende ist „Ostviertelblues“ ein spannender und unterhaltsamer Roman mit jeder Menge Lokalkolorit.
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