Theaterparcours in der DT-Tiefgarage
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
---|---|
AutorIn: | Tina Fibiger |
Datum: | |
Dauer: | 05:09 Minuten bisher gehört: 138 |
Manuskript
Text
Wie funktioniert das Zusammenleben unter erschwerten Bedingungen mit Mundschutz und in vermeintlicher Distanz? Was verändert sich, wenn das Bedürfnis nach Nähe und Verständigung in vertrauter Umgebung zum Gesundheitsrisiko erklärt wird? In Juli Zehs Roman „Corpus Delicti“ erfahren diese Fragen eine radikale Zuspitzung, weil die Gesundheit der Bürger zum Staatsprinzip erhoben wurde. Es gibt strenge Regeln, das Bestmögliche für seinen Körper zu tun und ein staatliches Überwachungssystem, das jeden Verstoß bestraft. Für DT-Intendant Erich Sidler versteht sich das geplante Szenario „Die Methode“ in der DT-Tiefgarage auch als kritischer Befund zum aktuellen gesellschaftspolitischen Klima während der Pandemie.
O-Ton 1, Erich Sidler, 43 Sekunden
„Corpus Delicti“ ist ja die Auseinandersetzung mit einer Pandemie, die quasi über die Menschen, über die Gesellschaft kommt und ihr abverlangt, sich einen Gesundheitsbegriff zu erschaffen, der politisch instrumentalisiert wird. Das ist eine Sensibilisierung, die wir vornehmen wollen, indem wir die Frage aufwerfen: Was geht eigentlich in Momenten wie die der letzten Wochen an Bürgerrechten verloren beziehungsweise, was wird plötzlich selbstverständlich als eine Form von Spielraum hingegeben, damit man ein gewisses politisches Szenarium durch deklinieren kann?“
Text
An den verschiedenen Stationen dieses Theaterparcours werden die Zuschauer mit gegensätzlichen Positionen konfrontiert, wie sie auch den öffentlichen und den privaten Diskurs um die Corona-Pandemie prägen: Zu Wort kommen die Befürworter noch strengerer Schutzmaßnahmen und Verhaltensvorschriften wie auch die Gegner, die dabei nicht nur ihre individuelle Freiheit gefährdet sehen, sondern das Zusammenleben in einem demokratischen Gesellschaftsmodell. Diese erschwerten Bedingungen sind ein Thema, das Sidler ebenfalls mit dem Theaterprojekt in der Tiefgarage verbindet, wo Zuschauer und Schauspieler einander in getrennten Räumen nur aus der Distanz begegnen können.
O-Ton 2, Erich Sidler, 49 Sekunden
„Wir haben ja auch erlebt, was Isolation heißt und deswegen ist natürlich die Isolation, also auch im Theater als Isolation zu thematisieren, reizvoll: Man hält nur den visuellen Kontakt und hat eine größtmögliche Verbindung durch die Audioübertragung. Aber im Grunde genommen geht es darum, diese Isolation zu erleben, aber auch, um immer wieder die Frage zu stellen: Was nehmen wir eigentlich in Kauf und inwiefern verändert uns das? Wesentlich ist ja, dass wir durch diese vier Teile in der Tiefgarage selber eine Situation schaffen müssen, wo wir keine Dialoge haben sondern nur Monologe. Also man kann im Grunde nur immer eine Perspektive auf das Geschehen erläutern. Es ist im Grunde genommen ein Kaleidoskop, was unterschiedliche Einblicke auf ein Gefüge zulässt.“
Text
Solange der Spielbetrieb auf den drei Bühnen des Deutschen Theaters ruht, sind natürlich andere Szenarien im Gespräch. Und natürlich heißt es abwarten für Erich Sidler und sein Team, ob und wann Vorstellungen in einer bestimmten Größenordnung mit Abstandsregelegungen wieder möglich und auch realisierbar sind.
O-Ton 3, Erich Sidler, 55Sekunden
„Es gibt beispielsweise die Möglichkeit, dass die Landesregierung Veranstaltungen unter 100 Zuschauer/innen gestatten wird, früher oder später. Das würde bedeutet, dass wir das DT-2 bespielen können und dann stellt sich die Frage: Ja, macht das Sinn, vielleicht bei verschiedenen Vorstellungen vielleicht zweimal am Tag zu spielen, vielleicht auch Vorstellungen, die wir eigentlich normalerweise im großen Haus spielen würden, da unten zu spielen? Es gibt das Szenario, dass man mit einer verteilten Zuschauerordnung das große Haus bespielen kann. Es gibt das Szenario, dass wir zu einer Normalität kommen und es gibt natürlich die Tatsache, dass wir dabei bleiben müssen, indem wir das DT- Tiefgarage- zu einer Spielstätte ummodeln. Natürlich müssen wir festhalten an der Idee, dass Theater wieder eine Versammlung von Menschen ist und da kann eine Tiefgarage nur einen Aspekt beleuchten.“
Text
An der Inszenierung „Die Methode“ ist das gesamte Ensemble beteiligt. Jede der Rollen ist fünffach besetzt, so dass in den abendlichen Vorstellungsserien bei jeder Aufführung andere Schauspieler in den dramatischen Monologen mit ihrem Publikum ins Gespräch kommen. Für den DT-Intendanten gehört auch das zum Konzept des Abends, dass das gesamte Ensemble Stellung nimmt, wenn in einer Pandemie Persönlichkeitsrechte zur Disposition stehen.
Zur Verfügung gestellt vom StadtRadio Göttingen
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke benutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung der Autorin bzw. des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des StadtRadio Göttingen.