Junges Theater Göttingen inszeniert Familienstück „Angstmän“
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Julia Kleine |
Datum: | |
Dauer: | 04:40 Minuten bisher gehört: 213 |
Manuskript
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Die neunjährige Jennifer muss ihren Abend allein verbringen, weil ihre alleinerziehende Mutter kurzfristig eine Nachtschicht arbeiten muss. Zunächst genießt das Mädchen die ungewohnte Freiheit – sie bestellt Pizza, sieht sich einen Gruselschocker im Fernsehen an und geht mit Schuhen auf die Couch. Ihr Vergnügen verwandelt sich jedoch spätestens dann in Angst, als sie plötzlich ein Geräusch im Wandschrank hört:
O-Ton 1, Ausschnitt aus den Proben zum Stück Angstmän, 19 Sekunden
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Das Wesen, dass Jennifer im Schrank findet, nennt sich Angstmän. Die Figur ist Namensgeber des Theaterstücks, das von Hartmut El Kurdi geschrieben wurde und nun im Jungen Theater inszeniert wird. Erzählt wird über Angst, Mut, Mobbing und Freundschaft. Im Mittelpunkt der Geschichte stünden jedoch keine heldenhaften Figuren, sondern Außenseiter, die wie der Angstmän mit eigenen Defiziten zu kämpfen hätten, erklärt die langjährige JT-Schauspielerin Agnes Giese, die das Stück inszeniert:
O-Ton 2, Agnes Giese, 31 Sekunden
„Angstmän ist jemand, der immer Angst hat. Es ist ein Superheld aus irgendeiner Galaxie, aber das Gegenteil von einem Superheld, er ist nämlich der begabteste Schisshase des ganzen Universums. Und der hat erstmal Angst vor Jennifer, dann hat er Angst vor Kerzen, die zwar schon aus sind, aber immer noch Chaos anrichten können. Dann hat er Angst vor Putzlappen, weil da Bakterien drin sein können, dann hat er vor allem Angst, das stellt sich heraus, dass er verfolgt wird von einem anderen schlimmen Superhelden, nämlich Pöbelmän."
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Und der taucht auch prompt in Jennifers Wohnzimmer auf und sorgt für jede Menge Wirbel. Schnell gerät Jennifer zwischen die Fronten der beiden Antagonisten, bis sie schließlich herausfindet, warum Pöbelmän so gemein ist: er wurde früher gemobbt, weil er sehr dick ist. Die Geschichte der aufknospenden Freundschaft zwischen Jennifer, Angstmän und Pöbelmän sei ein wunderbarer Gesprächsanlass, um über Unvollkommenheit, Ehrlichkeit und eigene Ängste miteinander ins Gespräch zu kommen, die auch im Leben des jungen Publikums häufig eine große Rolle spielten, so Giese.
O-Ton 3, Agnes Giese, 30 Sekunden
„Gerade weil man heute so relativ perfekt funktionieren muss in allen möglichen Zusammenhängen, in der Schule, in Familienzusammenhängen, im Verein, auf Facebook, mit Freunden. Und wofür diese ganzen Sachen, nämlich Angst und nicht weiterwissen und Angst vor Sachen, wo einen die anderen nur auslachen, das sind für Kinder glaube ich sehr starke Themen, die gerade im Alltag nicht so besprochen werden."
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Da die Geschichte aus Sicht einer Neunjährigen erzählt wird, wurden die Rollen bewusst mit jungen Schauspielern besetzt. Das Junge Theater setzt dabei auf eine Kooperation mit der Schauspielschule Kassel, an der die Regisseurin Agnes Giese auch als Lehrkraft tätig ist.
O-Ton 4, Agnes Giese, 30 Sekunden
"Ich finde es funktioniert sehr gut, weil die jungen, das sind ja Schauspielstudenten noch, selber ja erst Anfang 20 sind. Sich erstens sehr gut an ihre eigene Kindheit natürlich erinnern und außerdem sind sie noch so jung und dynamisch und lebendig, dass man ihnen die Kinder auf der Bühne sehr gut abnimmt. Und das funktioniert glaube ich auch für Kinder gut. Man wird gar nicht ahnen, wie alt sie in Wirklichkeit sind, weil sie das so verkörpern."
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Neben den Nachwuchsschauspielern Natalie Nowak, Philip Heines und Pascal Hettler sind bei den Aufführungen des „Angstmän“ auch der Dramaturg Christian Vilmar und die Ausstatterin Hannah Landes im Einsatz. Das Junge Theater bietet das Stück neben den regulären Nachmittagsvorstellungen auch als Sondervorstellungen für Schulklassen an. Begleitend dazu soll es auch Materialmappen und Workshops zu Themen wie Angst und Mobbing geben. Der „Angstmän“ sei jedoch ausdrücklich als Familienstück angelegt, bei dem auch Ältere angesichts der gegenwärtigen Situation in der Gesellschaft noch etwas lernen könnten, betont Giese:
O-Ton 5, Agnes Giese, 32 Sekunden
„Das ganze Thema Populismus beruht ja auf Angst. Und hier sieht man in dem Stück, wie einerseits Angstmän auf die Spitze getrieben wird, aber andererseits, weil er dann zum Schluss auch etwas lernt und Mut bekommt, sieht man vor allem, dass man sich seine eigene Angst anschauen sollte. Gerade der Schisshase bleibt nicht stehen bei seiner Angst, sondern verändert dann etwas. Und das ist ja gerade die Diskussion heutzutage, wo ich mich auch als Erwachsene sehr erwischt fühle.“
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